26. Februar 2010 – Have you ever done people watching at a German regional train?
Also verrückterweise haben ja wenige Menschen nicht das dringende Bedürfnis, sich in eine Deutsche Regionalbahn zu zwängen? Ich verstehe eine solche Ansicht gar nicht. Man muss es einfach genießen, schon auf dem Bahnsteig die sweigend betreten dastehenden Menschen anzusehen. Viele von ihnen blicken auf dem Boden, als ob sie gleich einen Gerichtstermin hätten und dabei nicht nur also Zeuge vortreten. Diejenigen, die sich mit allein einem großen Koffer die, zu dieser Jahreszeit mit Rollsplit "gesicherten", Treppenstufen hinauf schleifen, werden angesehen wie Aliens, die sich hier vollkommen verflogen haben. Wobei zu bemerken ist, dass die Hälfte der Menschen sowieso nur in die Richtung schaut, aus der der Zug kommen soll. Ganz erfahrene Vielfahrer blicken schon nach vorn in Richtung Signal, schaltet dieses auf grün, kann man sich auf die Ankunft des Zugs vorbereiten. Hört man dann von weitem bereits das erste Geräusch des Zuges, und mit einem lauten, langanhaltenden Quietschen bleibt er dann stehen. Kaum ist man eingestiegen, kann man das liebste Prinzip des Nahverkehrsreisenden beobachten. "Setz’ dich bloß nicht neben jemand anderen!" Ich finde es oftmals schon sehr faszinierend, wenn sich die Menschen bereits auf den Fahrradplätzen drängeln, während sich einzelne noch immer je einen Platz für Jacke, Mütze und Tasche reservieren und sich niemand getraut, sich mit der Jacke anzulegen.
Aber nun zum eigentlichen Thema, dem people watching im RegionalZug. Hierbei muss man sich zunächst ersteinmal eine gute Ausgangsposition verschaffen. In allen neuen Zügen, auch RegioShuttle genannt, liegt dieser definitiv am Eingang. In Doppelstockzügen ist ein Platz mit zwei jeweils sich anschauenden Sitzen im oberen Bereich zu empfehlen, da man so den Sichtwinkel erweitern kann. Man muss hierbei aber darauf hoffen, dass der alt bekannte"setz dich bloß nicht zu mir"-Blick funktioniert. Für Personen auf Partnerschaftssuche empfehle ich allerdings diesen Blick nicht bei jedem einzusetzen. Man sollte sich den "ich nehme für dich extra alle meine Sachen weg"-Blick bewahren. Mit diesem kann man das Glück haben einen Treffer zu landen, der einen vielleicht die nächsten Wochen nicht wieder los lässt. Also haben wir jetzt die optimale Position eingenommen. Ich gebe nun den Tipp besonders auf besonders kleinen Dorfbahnhöfen im RegionalZug besonders wachsam zu sein, was es angeht die interessantesten Personen zu sehen. Also mein interessanter PersonenTyp 1 ist die ältere Dame, die eines dieser Wägelchen hinter sich her zieht. Besondere Beachtung sollte hierbei schon einmal dessen Bespannung erfahren. Hierbei besonders beliebt sind natürlich CaroMuster. Aber auch angeheftete Gummienten, Kuschelkatzen und Obstnetzte sind beliebte Assesoirs. Diese älteren Damen lassen sich meist so viel Zeit beim Suchen eines Sitzplatzes, dass man schon vor dem Anfahren des Zuges einmal vorsorglich aufstehen kann, um die Dame aufzufangen. Die Kraft des Anfahrens ist im Stehen doch einigermaßen kritisch.
Der nächste spannende Personentyp sind junge Damen und Herren, die sich augenscheinlich aus der Großtadt hierher verirrt haben. Entweder tragen sie Anzüge oder Blazer, auffallende Kleider oder im Winter Mäntel, die man hier einfach nicht erwartet. Auch die Taschen dieser Menschen heben sich hier deutlich ab. Einfach einmal hinsehen und heraus bekommen, was gerade in ist. Ich habe das Gefühl, das diese Leute oftmals kleine Aufsteiger sind, die es von diesen winzigen Dörfern zu etwas gebracht haben. Schon zweimal habe ich jetzt in Erfurt-Gispersleben in einer Erfurter Bahn eine Dame getroffen, von der der ich schwer vermutete, sie vor vier Wochen noch in Brooklyn in einem Café mit ihrem MacBook gesehen zu haben. Sie trug eine RayBan Brille, die nun wirklich schon bei allen angekommen ist, aber irgendwie immernoch "stylish". Der Personentyp 3 ist eigentlich immernoch der interessanteste und am weitesten gestreute. Personen die einfach vollkommen "abgefuckt" aussehen. Morgens um 5 die Jugendlichen, die aus der Disco kommen. Im montäglichen Berufsverkehr Pendler, die mit Ihrem Job wohl nicht ganz so zufrieden sind. Am Nachmittag Hartz IV Familien, denen man ansieht wie schlecht die deutsche Sozialgesetzgebung ist. Am Abend kann man auch den ein oder anderen Alkoholiker in den Zug stolpern sehen und sollte ihm bitte dabei behilflich sein, sich nicht mit dem Zugbegleiter anzulegen. Fernhalten sollte man sich allerdings von Jugendlichen mit Bierflaschen und den fröhlichen gesprächigen Abendeinkäufern. Diese machen einem durch anhaltenden Unmut oder dauerndes Gequassel über den Einkauf die Fahrt unangenehm. Außerdem ist Biergeruch nicht der angenehmste, aber authentischste für die Regionalbahn.
Also wenn ich weiter so viel Zeit im Regionalzug verbringe, werde ich bald gar nicht mehr ICE fahren wollen. Die Personenkreise im Regionalzug sind einfach wesentlich unterhaltsamer. In diesem Blog wird man immer einmal wieder etwas über diese tollen Reisemöglichkeiten und Bahnhöfe lesen können. Ich wünsche also hier schon einmal viel Spaß für die weiteren Artikel.